Ja, Panik


Ja, Panik sind zurück! Während das letzte, experimentell-forschende und in viele Richtungen mäandernde Pop-Album "Die Gruppe Ja, Panik" (2021) ihr überraschendes Comeback nach siebenjähriger Kreativpause markierte, ist "Don't play with the rich kids" nun so etwas wie ihre Rückkehr als Rock-Band. Als die Gang aus dem Burgenland, die sich spätestens seit "The Angst And The Money" (2009) in unser aller Herzen gespielt hat.

Andreas Spechtl eröffnet das Album mit einem Monolog der ziellos umher streunenden Einsamkeit, in der die uns allen bekannten Dämonen der Dichter:innen wohnen: "Für einen Moment, war ich verloren der Welt. Lost in Berlin, lost in Vienna, lost in Mexico City...". Doch es folgt der große Knall, die Band steigt ein und Spechtl stellt fest: "Ja, Panik topfit, top Sound! Top Optik!" Die Band als strahlende "Supernova" und die "einzige Droga!". Was für eine ausgezeichnete Wendung! Die Musik beamt uns sofort zurück in den Indierock der 90er-Jahre, mit Blur-ish Gitarren und einer Keyboard-Hook, die partywillig in Richtung Euro Dance grüßt! "European Rich Kids" war lange ein Alias, mit dem die Gruppe Ja, Panik immer wieder gerne gespielt hat. Nun ist also "Don't play with the rich kids" draus geworden. Rich Kids worldwide!

Wir sehen Stefan Pabst, Sebastian Janata, Laura Landergott und Andreas Spechtl auf dem Cover-Foto sanft umhüllt von einem Tuch am Strand von Nirgendwo. Es hält die Band nach innen zusammen und weist gleichzeitig eine klare Grenze nach außen: Wir sind hier, und Du bist da! Und es scheint nahezu unmöglich, in diesen inner circle hineinzukommen. Eleganter lässt sich das weltweit grassierende Klassismus-Problem wohl kaum darstellen. "Ich hab' gebraucht um zu begreifen, diese Mauer lässt sich nicht einreißen" singt Spechtl in "Mama made this boy". Und schließlich: "Don't play with the rich kids, they are always sun kissed". Hat die Mama dem blassen Boy wohl auch irgendwann einmal mit auf den Weg gegeben.

Während Ja, Panik früher das System immer wieder von innen heraus zerstören wollten, mit sehr viel Glam und lustvoll vorgetragener Autoaggression, haben sie ihre Marke noch einmal gründlich re-launched, um es im Werbe-Sprech der 90er-Jahre zu formulieren. Ihr Nihilismus made in Austria als Grundgefühl ist immer noch wichtiger Markenkern, aber er wird nun wesentlich reflektierter vorgetragen. Und das inzwischen ganz selbstverständliche Mitverhandeln der eigenen Privilegien scheint die Band in ihren neuen Songs regelrecht zu beflügeln. Denn diese Rich Kids sind schließlich auch sie selbst. Davon lässt sich selbstbewusst erzählen. Wobei das natürlich unbedingt im globalen Maßstab zu sehen ist. Wir alle wissen, was eine vierköpfige, linkspolitische Indie-Rock-Band zwischen Berlin und Wien mit ihrer Musik so verdient.

Und auch wenn laut Spechtl nach wie vor "1.000 Kämpfe in seinem Körper kämpfen", von denen er nach eigener Feststellung keinen einzigen je gewinnen kann, scheint ihm seine neue Rolle als Zen-Rocker und selbsternannter Kung-Fu-Fighter umgeben von seinen alten Bandkolleg:innen in ausgezeichneter Form sehr gut zu tun. Tja, viele Menschen in ihrem Alter besitzen inzwischen ein Haus in Brandenburg oder eine Eigentumswohnung in Berlin, aber wer kann sich schon Mitglied der Gruppe Ja, Panik nennen? Kulturelles Kapital, von dem viele Menschen nicht mal zu träumen wagen.

Und das will diese außergewöhnliche Band nach einigen erfolgreich durchstandenen Krisen doch möglicherweise noch eine ganze Weile lang auskosten: "Würd' ich noch rauchen, tät ich rauchen jetzt, sicherlich a million cigararettes" singt Spechtl in "Teuferl" in perfekt vorgetragenem Denglisch, das kaum jemand so gut beherrscht wie er! Aber hat er im spätikompatiblen Rave-Rock von "Hey Reina" nur einen Song davor nicht noch das exakte Gegenteil behauptet? "Wir scheißen auf den Tod und seine Freunde tonight"?!

Das Party-Teuferl mag wohl auch die Gruppe Ja, Panik nicht wirklich in Gänze austreiben! Warum sollte sie auch? Viel lieber wollen sie mit uns zusammen noch eine weitere Nacht durchzechen, eine Nacht, in der wir uns wieder und wieder von einer möglichen anderen Welt erzählen. "Fascism is invisible (why not you?)" läuft dazu aus der Antifa-Boom-Box und wir fühlen uns schon wieder an die guten alten Blur erinnert: Tender ist the ghost. Nur vereinen Ja, Panik hier quasi Blur und Slime in einem Song: Legal, illegal, scheißegal! Die stärkste Hymne des Albums! Im Hintergrund heulen schon besorgt die Polizeisirenen. Doch keine Sorge, in den Hinterzimmern dieser Welt sind unsere Ideen erstmal safe, während sich der Archivar in "Die Angst des Archivars vor der Sichtung der Welt" möglicherweise am allermeisten auf den nächsten Bandcamp-Friday und irgendeine Special-Vinyl-Edition freut. Naja, eine kleine besitzstandswahrende Archivar:in steckt am Ende doch in uns allen!

Auch wenn Ja, Panik in Primal-Scream-ig rockenden "Every sun that shines" nur noch nach vorne schauen mögen: "Dein Gestern ist so tot, dein Morgen ist so groß, im Mond spiegelt sich dein Gesicht, und alle Sonnen scheinen nur für dich!" Ja, bitte, nur weg mit all dem Ballast der Vergangenheit - im Glauben an eine bessere Zukunft!

Als Ja, Panik-Believer lassen wir uns schließlich im Schlusslied "Ushuaia" in den verdienten Schlaf singen: "Hier stehen die Uhren still, hier ist es egal ob ich 40, oder 40.000 Jahre alt bin", singt Spechtl zärtlich, bevor die Lullaby-Stimmung urplötzlich kippt, er in allerbester Maggot-Brain-Manier seine Gitarre zum Heulen bringt und die Band im Halbschlaf beginnt wie die spielfreudigen Crazy Horse wieder wild drauf loszuspielen. Ja, man möchte diesem himmlischen Jam noch ewig zuhören. Doch nach 11:46 Minuten ist Schluss. Am Ende bleibt nur zu wünschen, dass "Ushuaia" auch das letzte Plateau ihrer kommenden Liveshows sein möge. Denn das ist ja das Gute an Musikalben, im Gegensatz zu Spielfilmen oder Romanen, dass sie live einfach weitererzählt werden können. Bis dahin freuen wir uns über jede neue Nachricht in der frisch eingerichteten Ja, Panik-Fan-Gruppe auf Whatsapp. Mail: info@japanik.space / WhatsApp: +54 9 3518 57-7106

Ich bin schon drin!

Maurice Summen.

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